Gaius Julius Caesar

Die Alleinherrschaft des Gaius Julius Caesar und die Königsfrage

von Björn Böhling

5. Eigene Position und Schlussbemerkung

Schon ohne tiefere Reflexion der Erkenntnisse ist deutlich, dass die Forschung bei der Lösung dieses Problems nur bedingt hilfreich ist. Aufgrund der Kontroversität der Frage nach Caesars Königsherrschaft bleibt nichts anderes übrig, als sich eine eigene Meinung zu bilden. Zu groß ist die Spanne der verschiedenen Forschungsergebnisse. Zunächst soll deswegen zu den Ausgangspunkten des Historikers, zu den Quellen, zurückgefunden werden, um die mögliche Ursache für diese Meinungsvielfalt zu finden.

Die Frage, wer denn eigentlich für diese massive Ansammlung von Ehrungen verantwortlich war, beantworten die antiken Schriftsteller nur ungenau. Plutarch sagt dazu:

„Cicero war der erste, der im Senat besondere Ehrungen beantragte, aber er wahrte darin, so weit er auch ging, doch ein gewisses menschliches Maß. Andere jedoch setzten sich über jede Grenze hinweg und suchten sich gegenseitig zu übertrumpfen. Durch ihre übertriebenen, unsinnigen Vorschläge brachten sie es schließlich dahin, Caesar auch bei den tolerantesten Mitbürgern verhaßt und unerträglich zu machen. Man hält es auch für möglich, daß Caesars Feinde nicht weniger als Schmeichler sich bei diesem Wettstreit überboten haben.“[108]

Daraus ließe sich zumindest erkennen, dass nicht Caesar, sondern seine Gefolgsleute oder seine Gegner die Ehrungen initiierten.

Sueton berichtet lediglich, dass Caesar es erduldete, „daß man ihm Ehrungen zusprach, die über das menschliche Maß weit hinausgingen“.[109] Er erduldete es also, aber wer sorgte für diese Ehrenbeweise? Die Senatoren, die „ihn mit zahlreichen und ungewöhnlichen Schmeichelhaften Beschlüssen vollständig aufsuchten“?[110]

Bei Cassius Dio war es auf jeden Fall nicht Caesar, sondern die Senatoren, die ihm erst wohlgefällig und dann negativ berechnend die Ehrungen verschafften. Denn

„Caesar hatte sich Mißfallen zugezogen, und dieses war nicht ganz unberechtigt, abgesehen freilich von der Tatsache, daß die Senatoren selbst ihn durch ihre neuartigen und übertriebenen Ehrungen emporgehoben und aufgebläht hatten und nun gerade deshalb schalten und verleumdeten, wie gerne er doch diese Auszeichnungen hinnehme und deshalb hochmütiger auftrete.“[111]

Außerdem habe Caesar den Fehler gemacht, zu viele Ehrungen anzunehmen,

„doch müssen jene am meisten gerügt werden, die damit begannen, ihn zu ehren, wie es seiner würdig war, dann aber ihn immer weiter steigerten und schließlich wegen der Maßnahmen beschuldigten, die sie doch selbst beschlossen hatten.“[112]

Am Ende wird Caesar schließlich gänzlich freigesprochen, weil er nur so viele Ehrungen wie nötig annahm. „Er wagte nämlich nicht, alle Auszeichnungen abzulehnen, aus Furcht für hochmütig zu gelten“.[113]

Bei Plutarch, Sueton und bei Cassius Dio finden wir also keine Stelle, die Caesar als Drahtzieher der Ehrungen darstellt. Allerdings wollen die Autoren auch nicht entscheiden, ob es nun eindeutig Schmeichler oder Feinde Caesars waren.

Zu den Szenen um die Krönung der Statue und die Rex-Rufe meint Sueton, dass Caesar darüber verärgert war, dass die Volkstribunen das Diadem von der Statue entfernen und den Rufer abführen ließen. Allerdings stellt sich ihm die Frage des Grundes und ob Caesar verärgert gewesen sei, weil

„der Vorschlag über seine Erhebung zum König so ungünstig beeinflußt wurde, oder ... [weil] ihm, wie er mitteilte, der Ruhm abhanden gekommen sei, die Königswürde abgelehnt zu haben ... Dennoch vermochte er nicht das üble Gerücht aus der Welt zu schaffen, er strebe nach der Königswürde, obgleich er ... entgegnete, er sei Caesar und nicht König“.[114]

Und Plutarch berichtet nur:

„Als Caesar eines Tages vom Albanerberg nach Rom zurückkehrte, wagten sie es, ihn laut als König zu begrüßen. Als aber das Volk darüber Bestürzung zeigte, fuhr er sie unwillig an, er heiße nicht König, sondern Caesar. Daraufhin wurde es totenstill, er aber ritt finster und ungnädig weiter.“[115]

Cassius Dio erwähnt die Szene mit den Rex-Rufen ebenfalls, gibt aber auch zu bedenken, dass Caesar nichts unternahm, „wodurch man seinem Mißfallen tatsächlich hätte Glauben schenken können.“[116] Wenig später wird er endlich deutlicher, wenn er sagt: Caesar hielt „seinen Ärger nicht mehr zurück, sondern zeigte sich über die Maßen empört, als werde gerade von diesen Amtspersonen gegen ihn eine Erhebung angezettelt.“[117] Hier meint Cassius Dio die beiden Volkstribunen, die eigenmächtig erst das Diadem entfernten und im zweiten Fall sogar den Rufer verhaften ließen. Doch was will er uns damit sagen? Glaubt er, es handelte sich hier um Intrigen, um Caesar vor dem Volk zu diffamieren oder nahmen sie nur seine geplanten Handlungen in einer für ihn unannehmbaren Weise voraus? Wahrscheinlich meint Dio die zweite Variante, denn zu der Szene beim Luperkalienfest ist er der Meinung: „Ein weiteres Ereignis ähnlicher Art, das sich bald nach diesen Vorfällen zutrug, machte noch deutlicher, dass Caesar nur zum Schein den Titel König ablehnte, in Wirklichkeit aber ihn annehmen wollte.“[118] Er „wollte aber zu ... [der] Annahme [des Titels] irgendwie gezwungen werden.“[119] Aber war das Angebot des Antonius nicht schon Zwang genug? Was hielt den Diktator davon ab zuzugreifen? Dio gibt keine Antwort, redet aber auch nur von dem ‚vermeintlichen’ Streben nach dem Königstitel, was ihm Hass einbrachte.

Während wir Sueton nun vollends vernachlässigen können, bietet Plutarch immerhin eine weitere Möglichkeit der Spekulation. „Was aber den offenen und schließlich todbringenden Haß gegen Caesar entflammte, das war sein Streben nach der Königswürde.“[120] Und zum Fest direkt sagt er: „Als Caesar ... [das durch M. Antonius angebotene] Diadem erneut zurückwies, klatschten alle. Der Versuch war also gescheitert“.[121] Ja, der Versuch war gescheitert, nur wessen Versuch? Sollte das doch ein Versuch gewesen sein, um die Reaktion des Volkes zu testen?

Appian stellt uns andererseits einen Caesar vor, der ständig genötigt gewesen sei, gegen seinen Willen, dem Königstitel zuzustreben.[122] Aber weiter bringt er dieses Thema nicht zur Sprache.

Als Ergebnis der Quelleninterpretation können wir folgendes festhalten: Erstens ist kein Nachweis zu erbringen, der Caesar als Initiator der Ehrungen sieht; zweitens gibt kein antiker Autor direkt zu verstehen, dass Caesar für die ‚Krönungsversuche’ die Verantwortung trägt; drittens sind sich die Autoren auch bei der Krönungsfrage nicht einig. Plutarch sieht ein Streben Caesars nach der Königswürde. Dem schließt sich Cassius Dio an, allerdings mit der Einschränkung, dass sich Caesar zwingen lassen wollte. Sueton sagt dazu gar nichts. Und Appian sieht einen zum Königstitel genötigten Diktator. Allen Autoren ist gemein, dass bei ihnen keine Struktur bezüglich der Königsfrage gefunden werden kann. Es gibt keinen roten Faden der zu dem gefundenen Ergebnis führt. Im Gegenteil, die Ergebnisse erscheinen hier plötzlich und überraschend. So ist es m.E. auch nicht verwunderlich, dass die Forschung ebenfalls so viele nicht miteinander in Einklang bringende Lösungsvorschläge anbietet. Auch ist es nur logisch, dass versucht wurde, weitere Quellen zu erschließen, wie z.B. antike Münzen oder aber die Untersuchung der verschiedenen Arten von Diademen und Lorbeer- bzw. Goldkränzen. Dies spiegelt allerdings auch ein gutes Stück Hilflosigkeit wieder, die die Historiker überfällt, wenn die Quellen schweigen und die für uns brennenden Fragen nicht beantworten.

Hier sind also wenig Tatsachen zu verarbeiten und die vielen schwarzen Löcher stattdessen mit Logik oder Fantasie zu füllen. Allerdings sollte dies dann auch kenntlich gemacht werden und Spekulationen müssten auch als diese beschrieben werden. Anders herum brauchte man auf sie auch nicht verzichten. Ergebnisse wie: Die Königsfrage könne nur entscheiden, „wer Caesar in den Kopf zu blicken vermag.“[123] sind wahrscheinlich an der Realität am dichtesten dran, doch sind sie nur das Ergebnis einer langen Untersuchung und ohne Alternativen auch nicht sonderlich befriedigend.

Obwohl die Leitfrage m.E. mit dem letzten Zitat am besten beantwortet wäre, soll doch hier wenigstens versucht werden, eine persönliche Lösung zu finden, die aufgrund der gesammelten Erkenntnisse wohl am ehesten nachvollziehbar wäre. Doch auch sie muss voller Fragezeichen bleiben.[124]

M.E. ist es sehr wahrscheinlich, dass ein direktes Streben nach dem Königtum für Caesar ungesunde Folgen gehabt hätte. Das römische Volk, und da muss Dobesch widersprochen werden, hätte nicht einen rex Caesar ertragen, weil es den Alleinherrscher Caesar ertrug. Die Stimmung in der Gesellschaft war immer noch republikanisch, auch wenn sich für die Republik auch bei den nobiles, wenn man einmal von dem Attentat im März absieht, nicht allzu viel Engagement für die Republik zeigte, und wenn dieses Engagement vorhanden war, dann bestand Uneinigkeit und Unwissen über die nötigen Reformen zur Rettung des Staates.

Die Frage ist, wenn Caesar nicht direkt auf das Königtum zusteuerte, tat er es indirekt? Man muss vorsichtig sein und nicht gleich den antiken Prunk des erfolgreichen Feldherrn mit mittelalterlichen oder neuzeitlichen Königinsignien gleichsetzen. Aber die Verbindung, die Caesar durch sein Verhalten und seine Selbstdarstellung zum altrömischen Königtum schuf, ist doch unverkennbar. Das Purpurgewand, der goldene Stuhl im Theater und die vielen Ehrungen, die auch nach antiken Maßstäben weit über das gängige Maß hinausschossen, lassen den Blick unwillkürlich auf die Monarchie richten. Hinzu kommt der Staatskult um den Halbgott Caesar. Hatte den ein römischer Beamter, und sei er politisch, militärisch und gesellschaftlich noch so erfolgreich, nötig? Ein römischer Beamter wohl kaum, aber jemand, der noch mehr vor hatte, auf jeden Fall. Jemand, der eine neue Form der Herrschaft für das Reich suchte. Die Form der Republik ließ sich mit dem Alleinherrscher Caesar nicht in Einklang bringen. Ob Konsulat oder lebenslange Diktatur, beide Ämter waren für ihn längst zu klein geworden. Er war aus der Republik herausgewachsen. Nur wie konnte er diese Republik einfach hinter sich lassen? Es scheint, als habe er bis zu seinem Tod keinen Weg gefunden, das Tor zu einer neuen Staatsform aufzustoßen. Selbst wenn er die ‚Königsversuche’ initiierte, wovon man ausgehen kann, denn das Argument, das Antonius nichts gegen Caesar oder zumindest nur mit einem für sich tödlichen Ausgang hätte unternehmen können, ist m.E. nicht zu wiederlegen. Kraft sagt, dass für die Menschen in Rom zur Monarchie der Rex-Titel und das Königsdiadem gehörten. Hatte Caesar dann überhaupt eine andere Wahl, als diese einzig möglichen Insignien anzustreben? Das Volk hätte einen Herrscher ohne diese Zeichen wohl nicht so akzeptiert, eine gemäßigte Monarchie ohne den förmlichen Namen wäre wohl nicht möglich gewesen und hätte auch Caesar und seinen Vorstellungen nicht genügt. Doch hätte das Volk überhaupt die Monarchie akzeptiert? Und der Senat, hätten sich die Adligen nun auch offiziell vollends entmachten lassen?

Als Grund für das Attentat wird immer wieder darauf verwiesen, Caesar habe sich vor dem Partherfeldzug im Senat zum König ausrufen lassen wollen oder er würde zum König proklamiert werden. Es ist nicht anzunehmen, dass sich so viele nobiles – und auch in dieser großen Anzahl – hätten mobilisieren lassen, wenn sie keine handfesten Gründe gehabt hätten, die ihre Furcht vor dem Diktator so anstachelten.

Außerdem hatte Caesar alles Königliche eher halbherzig von sich gewiesen. Besonders deutlich wird dies beim Luperkalienfest, wo er sich von Antonius krönen ließ und erst danach abweisend reagierte. Natürlich ist die Statue auf dem Kapitol im Kreise der römischen Könige auch ein wichtiges Indiz, auch wenn Caesar möglicherweise eine Mischung von hellenistischem und altrömischem Königtum im Sinn hatte, um vielleicht dem antiken Vorbild Alexanders d. Großen näher zu kommen.

Caesar musste den Titel ebenso fürchten, wie er ihn anstrebte. Es ist eben nicht so einfach, wie es sich Meier macht, wenn er sagt, wenn er den Titel gewollt hätte, dann hätte er ihn sich einfach genommen. Es spricht vieles dafür, dass Gaius Iulius Caesar bis zu seinem Tod den Weg zur Monarchie vorbereitete. Dazu passen die Ehrungen, die Szenen und sein königliches Auftreten. Aber den letzten Schritt wagte er nicht. Warum, das müssten wir wohl wirklich aus seinem Kopf holen.

Bis zur Entdeckung neuer Quellen bleiben viele zu kritisierende Erklärungsmodelle, die inhaltlich konträr zueinander stehen, aber aufgrund von historischen Tatsachen nur schwer widerlegbar sind. Bis dahin wird hier die Meinung vertreten, dass Caesar eine für alle deutliche, sichtbare und bewusste Form der Monarchie anstrebte. Mit großer Wahrscheinlichkeit war dies der Rex-Titel mit dem dazugehörigen Diadem als Zeichen der Herrschaft. Der König von Rom – dieses Ziel stand Caesar vor Augen, doch den Weg dorthin konnte er nicht beschreiten.

[108] Plutarch, Caesar, 57.

[109] Sueton, Caesar, 76,1.

[110] Sueton, Caesar, 78,1.

[111] Cassius Dio, XXXXIV, 3,1.

[112] Cassius Dio, XXXXIV, 3,2.

[113] Cassius Dio, XXXXIV, 3,4.

[114] Sueton, Caesar, 79,1 und 2.

[115] Plutarch, Caesar, 60.

[116] Cassius Dio, XXXXIV, 9,2.

[117] Cassius Dio, XXXXIV, 10,1.

[118] Cassius Dio, XXXXIV, 11,1.

[119] Cassius Dio, XXXXIV, 11,3.

[120] Plutarch, Caesar, 60.

[121] Plutarch, Caesar, 61.

[122] Vgl. Appian, II, 107ff.

[123] Will 1992, S. 213.

[124] Im Gegensatz zu manchen Autoren, die sich in ihrer Meinung, wie es scheint, unwiderruflich festgelegt haben.
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