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2.3. Die Diktatur: Caesar – Alleinherrscher Roms
Faktisch war Caesar jetzt Alleinherrscher und erster Mann im Staate. Seine Macht gründete sich auf die militärischen Erfolge und auf seine Anhängerschaft. Allerdings muss noch untersucht werden, welche formale Stellung er im römischen Reich einnahm. Der Senat hatte ihn ja vor dem Bürgerkrieg vom Amt des Prokonsuls abberufen. Ohne Amt hätte Caesar also den Status eine Privatmannes gehabt und hätte aufgrund seiner Taten formal und streng genommen auch als bewaffneter Bandit bezeichnet werden können. Um diesem Problem vorzubeugen, hatte sich Caesar, sich noch an die römischen Verfassung haltend, im Oktober 49 vom Praetor M. Lepidus zum Diktator ernennen lassen.[39] Plutarch sagt nur: „Caesar wurde vom Senat zum Diktator ernannt.“[40] Ganz verfassungsgemäß war diese Handlung allerdings nicht. Denn dafür musste ein neues Gesetz eingebracht werden, da das Recht, einen Diktator zu ernennen, nur den amtierenden Konsuln oblag, die aber waren mit Pompeius geflohen und hielten sich in Griechenland auf. Deswegen sollten die nächst höchstrangigen Beamten, die Praetoren, diese Handlung vollziehen.[41] Nach seiner Ernennung zum Diktator (1. Diktatur), das Amt übte er allerdings nur 11 Tage, vom 2. bis zum 12. Dezember 49, aus, weil er dann dem flüchtenden Pompeius folgte, ließ Caesar Wahlveranstaltungen abhalten und sich wählen oder ernannte sich selbst für das Jahr 48 zum Konsul (2. Konsulat).
Caesar fügte sich in die traditionelle Form des Systems ein und übernahm in den Jahren 47 (3. Konsulat), 46 (4. Konsulat ), 45 (5. Konsulat) und 44 erneut das Konsulat, diesmal allerdings auf zehn Jahre (6. Konsulat). Darüber hinaus besetzte er mehrmals das Amt des Diktators (2. Diktatur vom Oktober 48 bis einschließlich 47, 3. Diktatur von April 46 für zehn Jahre, 4. Diktatur von 44 auf Lebenszeit), war seit 47 Augur, hatte seit 46 die Funktion des praefectus moribus (Sittenwächters) für drei Jahre inne, war Zensor auf Lebenszeit und engagierte sich auch wieder in dem lange vernachlässigten Amt des pontifex maximus.[42] Damit blieb der Kern der republikanischen Ordnung zunächst unangetastet. Daran änderten auch die vielen neuen Gesetze des Diktators nichts.[43]
Wurde die Ordnung auch nicht zerstört, so wurde sie doch von innen her durch deren Missachtung ausgehöhlt. Caesar vermehrte nicht nur die Zahl der Beamten, sondern veränderte auch die Beamtenwahl, so dass es im Endeffekt er selbst war, der sie bestimmte und die Wahl durch das Volk zu einem bloßen Bestätigungsakt machte.[44] „Caesars wohlfeilste Methode, seine Klientel bei Laune zu halten, war, ihr Magistraturen anzudienen. Wer immer ihm sich als nützlich gezeigt hatte, bekam ein Amt oder bekam es in Aussicht gestellt.“[45] Die Zahl der Senatoren wurde von 600 auf 900 erhöht. Dies waren natürlich auch Anhänger Caesars und nicht alle waren von vornehmem Ansehen,[46] was für die Schicht der nobiles eigentlich notwendig war. Jedenfalls war dieses wichtige Gremium nun aufgrund seiner Zusammensetzung von Caesar manipulierbar. Meier gibt einen Einblick in die Gesetzgebung zur Zeit Caesars. Der Senat sei zwar sein Werkzeug gewesen, doch die Bedienung dieses Werkzeuges habe er bald zu umständlich gefunden.
„Er goß seine Verfügungen meist gleich in die Form von Gesetzen oder Senatsbeschlüssen, wobei sich die Sekretäre [der Kanzlei] die Namen des Antragstellers und der Protokollzeugen ausdachten – diese bekamen dann Dankschreiben für Tätigkeiten, von denen sie selbst nichts wußten.“[47]
Die Herabsetzung alter Traditionen wurde durch die personelle Überhöhung Caesars kompensiert. Auf seine Eigendarstellung und die vielen Ehrungen, die ihm zu Teil wurden, wird im Laufe der Arbeit noch eingegangen.
Neben den Gesetzesinitiativen betätigte sich Caesar als Bauherr. Er befahl 46 den Bau des forum caesaris, des Tempels der Venus Genetrix, die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe, den Bau einer neuen Straße durch die Apeninnen zum adriatischen Meer u.v.m.[48] Damit wollte er sich nicht nur seiner Freude an der Architektur hingeben, sondern auch der unter dem Reformstau leidenden Stadtbevölkerung Arbeitsplätze bieten.[49] Viele der teilweise fantastischen und undurchführbaren Bauprojekte kamen allerdings über die Planungsphase nicht hinaus. Auch durch den Geldmangel wurden seine Taten eingeschränkt.
In den letzten Monaten vor den Iden des März erreichte Caesars clementia einen Höhepunkt. Auch die restlichen politischen Gegner, denen er noch nicht verziehen hatte, konnten nach Rom zurückkehren und sogar zivile und militärische Kommandostellen übernehmen. Daneben ging er nach Sueton gegen aufgedeckte Verschwörungen und nächtliche Zusammenkünfte nicht weiter vor, sondern zeigte nur an, dass sie ihm bekannt waren.[50]
Die Frage nach der Zukunft Roms und der Stellung Caesars trat immer weiter ins Bewusstsein. Was wollte der Konsul und Diktator? Bevor wir uns dieser Frage zuwenden, geht es zunächst um das vorläufige Ende der Geschichte um den römischen Feldherrn.[51] 46 ließ er sich die Diktatur für zehn Jahre verleihen, obwohl sie in der republikanischen Verfassung ursprünglich nur ein Amt darstellte, das zwar eine Person mit bestimmten Vollmachten versah, um außenpolitische Krisen zu beseitigen und das von Sulla erstmals für innenpolitische Zwecke eingesetzt wurde, das aber immer nur wie üblich auf ein Jahr befristet war. Immerhin wurde diese zehnjährige Diktatur noch jährlich bestätigt, was natürlich nur eine Formalität darstellte.
Caesars Verhalten ist nicht leicht zu bewerten, denn er brach die römischen Traditionen nicht, sondern dehnte deren Auslegung so weit aus, dass man teilweise nur noch dünne Fäden erkennen konnte. Erst kurz vor seinem Tod, als er Ende 45 die Diktatur auf Lebenszeit antrat, trat er aus den republikanischen Traditionen hervor, und eins war nun klar: Caesar wollte die Macht nicht wieder abgeben. Er wollte kein zweiter Sulla sein und sich nach vollbrachter Arbeit zum Wohl des Volkes zurückziehen. Im Gegenteil, er distanzierte sich von ihm und sprach ihm politische Kompetenz ab, denn „Sulla habe Sprache und Regeln der Politik nicht gekannt, da er die Diktatur niedergelegt habe“.[52] Die Diktatur auf Lebenszeit hatte den Charakter einer Notstandsmaßnahme vollends verloren und damit auch den integralen Bestandteil der Republik. Caesar galt nun als Tyrann[53] und offensichtlich war hier ein Punkt der Macht erreicht, den einige Senatoren als Endpunkt ansahen. Nicht nur die Angst um die Republik, sondern natürlich auch persönlicher Hass auf Caesar waren Gründe dafür, dass er am 15. März 44, kurz vor dem geplanten Partherfeldzug, von der 60-köpfigen Verschwörergruppe im römischen Senat durch Messerstiche ermordet wurde. Auf eine Leibwache verzichtend und alle Warnungen ignorierend sank der Herrscher Roms danieder – und verstarb zu den Füßen der Statue des Pompeius.
[39] Heuss sieht Caesar auf dem Weg der Republik, wenn er sagt: „Als er 49 in Rom ... [den] Staat übernahm ... ließ er sich, im Laufe des Jahres von Ilerda aus, folgerichtig im Sinne des herkömmlichen Staatsrechtes zum Diktator machen“ (Heuss 2001, S. 213).
[40] Plutarch, Caesar, 37.
[41] Natürlich ist es zweifelhaft, ob dieses Verfahren rechtmäßig war, doch wer wollte sich gegen Caesar stellen, der ja nun in Rom herrschte? Außerdem bewies Caesar den Republikanern dadurch nicht, dass er gewillt war, die republikanischen Traditionen fortzuführen?
[42] Zu Caesars Ämtern vgl. u.a. Will 1992, S. 213.
[43] Dazu gehörten Bürgerrechtsvergaben für loyale Stämme und die Erweiterung des römischen Bürgergebietes bis zu den Alpen, die Neuordnung des Städtewesens, die Reform zur Versorgung der Stadt Rom, eine Kalenderreform, die Gründung von Kolonien zur Versorgung der Veteranen und Arbeitslosen Roms und das Schuldentilgungsgesetz (vgl. u.a. Meier 1980, S. 72ff).
[44] Wie unwichtig Caesar die republikanischen Ämter waren, bezeugt auch die Szene am 31. Dezember 45 um den verstorbenen Konsul C. Caninius Rebilus. Dieser verstarb sechs Stunden vor Ablauf seines Amtsjahres. Caesar ließ für die restliche Zeit einen neuen Konsul wählen. Dies zeigte mehr als deutlich, was das vormals wichtigste Amt des Staates noch wert war. So spottete Cicero bei Plutarch, nachdem sich die Freunde des neuen Konsuls, wie es der Brauch verlangte, in großer Zahl aufmachten, um ihm zu gratulieren und das Ehrengeleit ins Rathaus zu geben: „Wir müssen uns eilen, sonst kommen wir an, und der gute Mann hat das Konsulat schon wieder niedergelegt!“ (Plutarch, Caesar, 58)
[45] Will 1992, S. 204.
[46] Meier bezeichnet die neuen Senatoren als „Kreaturen Caesars“ (Meier 1980, S. 86).
[47] Meier 1980, S. 75.
[48] Vgl. Plutarch, Caesar, 58.
[49] Vgl. Confora 2001, S. 266 und Will 1992, S. 202. Um der Stadt Entlastung zu geben, wurden bis 44 ca. 80.000 Römer in überseeischen Kolonien angesiedelt. Dies waren aber wohl meistens ehemalige Legionäre.
[50] Sueton, Caesar, 75,5.
[51] Auf hier nicht erwähnte Details wie die Krönung der Caesarstatue und das Luperkalienfest wird später noch intensiv eingegangen. Siehe Kapitel 3.3.
[52] Sueton, Caesar, 77.
[53] Vgl. Plutarch, Caesar, 57.
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